Tag: Denkmalschutz
- Projekt, Franz Wanner
Wie wird Geschichte von wem gedeutet? Und welche Interessen sind damit verbunden? In der mehrteiligen Arbeit „Mind the Memory Gap” stellt Franz Wanner zwei Orte – Neuaubing und Ottobrunn – nebeneinander, die mit der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie verbunden sind. Während an einem Ort die NS-Vergangenheit lange vergessen war und nun ein Erinnerungsort ermöglicht wird, wird sie am anderen Ort verdrängt.
Im Film „From Camp to Campus“ beschäftigt sich Wanner mit dem ehemaligen Standort der Luftfahrtforschungsanstalt der Nationalsozialist*innen in Ottobrunn. Das NS-Reichsluftfahrtministerium beauftragte für den Bau den 1938 gegründeten Flugzeughersteller Messerschmidt AG. Bei der Errichtung der Luftfahrtforschungsanstalt wurden hunderte Zwangsarbeiter*innen eingesetzt.[1] Heute befindet sich auf dem Gebiet der „Ludwig-Bölkow-Campus“, ein Technologiestandort mit Forschungseinrichtungen und Industriekonzernen.
Auch das Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Airbus hat einen Sitz auf dem Gelände. Das Unternehmen übernahm 2004 die militärische Luft- und Raumfahrttechnik der ehemaligen Dornier-Werke. Dieser Flugzeughersteller hatte während der NS-Zeit unter anderem einen Standort in Neuaubing, der sich unweit des ehemaligen RAW-Lagers befand.
Im Film „Mind the Memory Gap“ inszeniert Wanner eine fiktive Guided Tour, in der Geschichte als Vermarktungsstrategie eingesetzt wird, bestimmte Aspekte in Szene gesetzt und andere vernachlässigt werden. Dadurch legt er Techniken von Wirklichkeitskonstruktionen offen.
Es wird eine Ausdeutung von Vergangenheit sichtbar, die wirtschaftlichem Nutzen folgt, wodurch Erinnerung zum symbolischen Kapital und dadurch gleichfalls entpolitisiert wird. Neben den beiden Filmen und von ihm verfassten Texten regt Wanner die Diskussion von spezifischen Begriffen über ein interaktives Tool an, das Sprache als Mittel reflektiert, mit dem Vorstellungen von Realität geschaffen werden.
[1] Vgl. Elsbeth Bösl, Nicole Kramer, Stephanie Linsinger: „Die vielen Gesichter der Zwangsarbeit. Merkmale des ,Ausländereinsatzes‘ im Landkreis München“ In: Heusler/Spoerer/Trischler (Hg.): Rüstung, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, Oldenbourg 2010, S. 149-162, hier S. 156.
- Projekt, Forum DCCA, Fabian Bechtle, Leon Kahane
Der Film „Neuaubing/Freiham“ betrachtet die Gleichzeitigkeit der Stadtentwicklung Freihams und das Sichtbarwerden des historischen Geländes des RAW-Lagers. In den Nachkriegsjahren geriet der historische Zusammenhang des Areals aufgrund zunehmender zeitlicher Distanz und verschiedener Nachnutzungen mehr und mehr in Vergessenheit.
Landesweite gesellschaftliche Debatten um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der NS-Zwangsarbeit und mögliche Entschädigungszahlungen für ehemalige Zwangsarbeiter*innen in den späten 1990er Jahren sowie die Planungen für das 350 Hektar große Neubaugebiet Freiham ab den 2000er Jahren trugen dazu bei, dass auch die Geschichte des RAW-Lagers wieder sichtbarer wurde.
Der Planungsbereich Freihams umfasste zunächst auch das historische Gelände des ehemaligen Lagers. So gab es Pläne, dort einen großen Supermarkt und ein Möbelhaus zu bauen. Dies veranlasste die Nutzer*innen, die seit den 1970er Jahren die Baracken als Ateliers und Werkstätten verwendeten, und später auch die Stadt München dazu, historische Recherchen zu veranlassen.
Heute steht das Gelände unter Denkmalschutz. In Freiham existieren bereits erste Wohnungen und Bildungseinrichtungen. Aus der Perspektive des Stadtteilmanagers Daniel Genée erkunden Bechtle und Kahane diese Wechselwirkungen. Dabei stellen sich auch Fragen nach den Funktionen, die der künftige Erinnerungsort für eine vielfältige Stadtbevölkerung erfüllen soll, welche Erwartungen sich daran knüpfen, aber auch welche pragmatischen Bedingungen damit einhergehen.