Tag: Lager

  • Projekt, Hadas Tapouchi

    Hadas Tapouchis Fotografien zeigen die alltägliche Stadtlandschaft, banale Orte des Wohnens und Arbeitens, des Lernens, der Freizeit und Erholung. Erst die Kontextualisierung mit historischen Informationen macht die Geschichte der jeweiligen Lokalitäten offensichtlich und verändert den Blick: Es handelt sich um Orte, an denen während der NS-Zeit Zwangsarbeiter*innen untergebracht waren.

    Tapouchis fotografisches Mapping setzt sich mit der Normalisierung von historischen Orten im heutigen Stadtraum auseinander. Ihre Bilder aktualisieren die historische Distanz und vermitteln auf diese Weise zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

    Zwangsarbeiter*innen waren insbesondere während des Zweiten Weltkrieges im Straßenbild allgegenwärtig: Auf ihrem täglichen Weg zur Arbeitsstätte ebenso wie im öffentlichen Raum, etwa beim Einsatz im Straßenbau oder in städtischen Betrieben. Um Zwangsarbeiter*innen zugeteilt zu bekommen, mussten Unternehmen nicht nur ihren Bedarf anmelden, sondern auch eine Unterkunft bereitstellen. Aus diesem Grund errichteten gerade größere Firmen eigene Lager. Öffentliche Träger wie die Stadt München richteten Sammelunterkünfte ein und vermieteten Unterkunftsplätze an kleinere Unternehmen.

    Tapouchi interessiert sich für die Potenziale eines kollektiven Gedächtnisses, das sich der Marginalisierung und Unsichtbarkeit von Geschichte im öffentlichen Raum widersetzt. Durch eine „Praxis der Erinnerung“ („Memory Practice“) erkundet sie ehemalige Raumordnungen und deren Machtverhältnisse – und fragt, wie die Erinnerung an die Gewaltgeschichte der Zwangsarbeit durch Gentrifizierung und Wertschöpfung überschrieben wurde. Ihr Projekt macht die Geschichte wahrnehmbar und bringt sie in die räumliche Nähe derer, die sich heute erinnern.

  • Projekt, Paintbucket Games

    „Forced abroad“ basiert auf den originalen Aufzeichnungen des 1925 in Rotterdam geborenen Jan Henrik Bazuin. 1940 besetzten die Nationalsozialisten die Niederlande. Bei der Bombardierung der Stadt durch die Deutsche Wehrmacht im Mai wurde auch die Druckerei der Familie Bazuin zerstört, in der Jan vermutlich mitarbeitete. Er entging der großen Razzia von Rotterdam vier Jahre später, bei der in nur zwei Tagen rund 52.000 Menschen zum Arbeitsdienst ins Deutsche Reich verschleppt worden. Vermutlich befand er sich in dieser Zeit außerhalb der Stadt, weil er als Erntehelfer im Osten des Landes tätig war. Im November 1944 begann er, ein Tagebuch zu verfassen. In täglichen Einträgen berichtet er vom Kriegsalltag in der besetzten Stadt und der sich immer stärker zuspitzenden Hungerkrise. Zugleich schreibt er auch vom Streit mit seinen Eltern sowie von seiner neuen Liebe, Annie, und später schließlich von seinen Erlebnissen in Deutschland.

    Bazuin konnte nach dem Zweiten Weltkrieg und seiner Rückkehr in die Heimat nie über seine Erlebnisse sprechen, doch er hinterließ mit dem Tagebuch ein wichtiges Zeugnis für die historische Forschung. Erst 2001, als Jan Bazuin starb, hat es sein Sohn Leon entdeckt.

    Die Visual Novel basiert auf den Aufzeichnungen wurde jedoch um fiktive und interaktive Elemente ergänzt. Der Protagonist, Jan de Boer, erlebt eine nachempfundene Erfahrung: die Verschleppung von Rotterdam nach München, die Trennung von seinen Eltern und seiner ersten Liebe. Schließlich findet er Wege, um in Deutschland zu überleben. In einem Erinnerungsalbum, das User*innen während des Games anlegen, werden historische Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt, die zum Verständnis der Geschichte beitragen sollen. Die Illustrationen stammen von der Comiczeichnerin Barbara Yelin. Gemeinsam mit ihr ist zudem die Buchpublikation „Jan Bazuin: Tagebuch eines Zwangsarbeiters“ (C.H. Beck) entstanden.