MEMORY IN PRACTICE
Allein im Stadtgebiet München befanden sich während des Zweiten Weltkriegs mehr als 400 Massenunterkünfte für Zwangsarbeiter*innen. Zum Teil wurden Baracken in unmittelbarer Nähe zu Arbeitsstätten oder auf den Firmengeländen errichtet. Zum Teil wurden Schulen, Turnhallen oder Gasthäuser zu Unterkünften umfunktioniert. Heute ist von den historischen Bauten so gut wie nichts mehr sichtbar. Die Fotografin Hadas Tapouchi erkundet 30 dieser Orte und macht ihre ehemalige Präsenz erfahrbar. Die interaktive Stadtkarte lädt ein, Veränderungen im urbanen Raum selbst zu dokumentieren und zu teilen. So wird der digitale Erinnerungsraum nach und nach mit den physischen, historischen Orten der Stadt verbunden.
Liste bekannter ehemaliger Lager in München
Alle Angaben basieren auf der Datenbank des NS-Dokumentationszentrum München.
Seit März 1944 waren im Bibliothekssaal des Deutschen Museums Familien aus der Sowjetunion untergebracht. Die Männer, Frauen und Jugendlichen waren der städtischen Sofortbereitschaft zugeteilt und mussten vor allem bei Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen helfen.
Museumsinsel 1
Der Bau des ehemaligen Lagers der Reichsbahnausbesserungswerke begann Ende 1942 auf dem Gelände an der heutigen Ehrenbürgstraße. Die ersten Zwangsarbeiter*innen kamen noch im gleichen Jahr. Insgesamt waren hier bis zur Befreiung des Lagers im April 1945 mindestens 1.000 Menschen untergebracht. Das Lager wurde von der Reichsbahn verwaltet und von deutschen Mitarbeitern geführt. Die Menschen lebten räumlich beengt, ohne Privatsphäre und litten oft Hunger. Die Zwangsarbeiter*innen stammten überwiegend aus der Sowjetunion, Polen, Frankreich, den Niederlanden und Italien. Mehrheitlich mussten sie im nahegelegenen Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Neuaubing schwere Arbeiten verrichten. In Kolonnen führten bewaffnete Wachen sie morgens an den benachbarten Wohnhäusern vorbei zu ihren Arbeitsplätzen und abends wieder zurück ins Lager. Nach Kriegsende wurde das Lager zunächst als Flüchtlingslager genutzt, dann als Unterkunft für Bahnmitarbeiter*innen und für Kleingewerbe. Heute sind noch acht Baracken erhalten. Aktuell entwickelt das NS-Dokumentationszentrum München einen Erinnerungsort zur Zwangsarbeit. Die Eröffnung ist für 2025 geplant.
101 bis 500 Personen
Ehrenbürgstraße 9
Das Lager wurde im Sommer 1942 errichtet und bestand aus 19 Wohn- und 5 Sonderbaracken für bis zu 2.000 Personen. Nachdem es bei Fliegerangriffen im September/Oktober 1943 zerstört worden war, wurde es vom Kamerawerk auf eigene Rechnung wieder instand gesetzt.
über 1000 Personen
Untersbergstraße/Perlacher Straße
In dem von der Baufirma Leonhard Moll unterhaltenen Baracken-Wohnlager waren bis zu 300 Zwangsarbeiter*innen aus unterschiedlichen Ländern (Belgien, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Polen, Sowjetunion) untergebracht, die von der Firma auf verschiedenen Baustellen im Stadtgebiet eingesetzt wurden. Bei einem Luftangriff am 16./17. November 1944 wurde das Lager getroffen und großteils zerstört. Mindestens 20 Zwangsarbeiter*innen kamen dabei ums Leben.
101 bis 500 Personen
Hansastraße 23
heute Hansastraße 19
Dieses Lager für „Ostarbeiter*innen“ wurde aus Haushaltsmitteln der Stadt München errichtet: Die in diesem Lager untergebrachten 200 Zwangsarbeiter*innen wurden von der Stadt München bei der Schadensbeseitigung nach Luftangriffen eingesetzt und an private Baufirmen ausgeliehen. Das Lager in der Cimbernstraße 68 wurde nach 1945 in ein Flüchtlingslager (Wohnlager für 290 Personen) umfunktioniert.
101 bis 500 Personen
Cimbernstraße 68
Das Lager bestand aus einem Teillager für Franzosen und einem Teillager für „Ostarbeiter*innen“ und hatte ein Fassungsvermögen von etwa 1.500 Personen. Sie waren hauptsächlich im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Freimann eingesetzt.
über 1000 Personen
Freisinger Landstraße
heute Burmesterstraße 20
In der Boschetsriederschule waren 1944/45 bis zu 438 Zwangsarbeiterinnen vor allem aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich untergebracht, die zum großen Teil für die Firma Siemens und Halske arbeiteten, aber u.a. auch für die Firma Uher. Bei einem Luftangriff auf diese Firma am 11./12. Juli 1944 kamen mind. 9 Bewohnerinnen des Lagers ums Leben.
101 bis 500 Personen
Boschetsrieder Straße 35
In der Schule waren 1944/45 bis zu 400 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht, die bei verschiedenen Firmen im Stadtgebiet eingesetzt wurden.
101 bis 500 Personen
Kirchenstraße 11
101 bis 500 Personen
Kistlerhofstraße 127 (oder 137)
In der Schule waren vom 17. August 1944 bis Mai 1945 etwa 700 Zwangsarbeiter*innen vor allem aus Frankreich untergebracht, die für BMW tätig waren.
501 bis 1000 Personen
Hirschbergstraße 33
In dem Barackenlager mit einem Fassungsvermögen von bis zu 725 Personen waren Frauen unterschiedlicher Nationen untergebracht, die für die Firma Metzeler Zwangsarbeit leisten mussten.
501 bis 1000 Personen
Ridlerstraße 67
In dem 1939 schon vor Kriegsbeginn bestehenden Zwangsarbeiter*innenlager der Reichsbahn waren Ende 1939 150 Jugoslaw*innen und Slowak*innen untergebracht. Später wurde das Lager als Kriegsgefangenenlager genutzt und beherbergte bis zu 800 Gefangene.
101 bis 500 Personen
an der Johanneskirchner Straße
heute am Bichlhofweg
Das Lager wurde 1942 zur Unterbringung von „Ostarbeiter*innen“ der Reichsbahn errichtet und umfasste etwa 7 Baracken.
Bertelestraße 77a
In dem von der Reichsbahn betriebenen Gemeinschaftslager waren zivile Zwangsarbeiter*innen, die vor allem im Reichsbahnausbesserungswerk Freimann oder beim Bau des Rangierbahnhofs tätig waren, wie auch mehrere Arbeitskommandos mit Kriegsgefangenen untergebracht, u.a. des Kommandos 3176L mit 51 Franzosen, die für die Baufirma Stöhr arbeiteten, und das Kommando 1990 mit 206 Franzosen, die für das Heeresbekleidungsamt arbeiteten.
101 bis 500 Personen
Eggartenstraße/Aufhüttenstraße 54
heute Meineckestraße
11 bis 50 Personen
Prinzenstraße 46
Das Lager wurde vermutlich auf Anregung des Regierungspräsidenten von München vom 30. April 1942 errichtet. Die Bewachung erfolgte durch einen Gestapobeamten und einige Frauen. Die inhaftierten Frauen arbeiteten vor allem im benachbarten Reichsbahndepot in der Baumkirchner Straße.
101 bis 500 Personen
Truderinger Straße 44a
Die Häftlinge wurden u.a. bei Kabelverlegungsarbeiten eingesetzt.
Wildstraße 7
heute Feldmochinger Straße
In dem Lager waren 70 Italiener und 120 Franzosen (beurlaubte Kriegsgefangene und Zivilarbeitskräfte) untergebracht. Nach weitgehender Zerstörung bei einem Luftangriff wurden die meisten Bewohner in die Gebeleschule verlegt.
101 bis 500 Personen
Osterwaldstraße 67
heute Osterwaldstraße 71
Das von der Firma Steinheil betriebene Sammellager hatte eine Fassungskapazität von 840 Personen. Belegt war es vor allem von Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion. Im August 1943 wohnten dort 595 Frauen und 176 Männer. Durch den Luftangriff am 2. Oktober 1943 wurde das Lager teilweise zerstört, anschließend aber wiederaufgebaut.
501 bis 1000 Personen
Balanstraße 67
Das Lager war als Unterkunft für Bombengeschädigte geplant und wurde vom Stadtbauamt Hochbauamt errichtet. Bereits im Mai 1944 war es zum größten Teil (15 Baracken) fertiggestellt.
501 bis 1000 Personen
Ecke Ludwig-Ferdinand-Straße/Groffstraße
heute Taschnerstraße, beim Bürgerheim
Das 1942 erstellte Wohnlager für Zwangsarbeiter*innen des neu errichteten Flugmotorenwerks von BMW (BMW II) in Allach hatte eine Aufnahmekapazität von 3.000 Personen. Es bestand aus einer zweistöckigen Wirtschaftsbaracke, mehreren Gemeinschaftseinrichtungen und einer Reihe von Wohnbaracken. Im Herbst 1944 wurde im Süden ein Teil als sogenanntes „Russenlager“ abgetrennt und eingezäunt. Es bestand aus 5 Unterkunfts-, einer Wirtschafts- und 4 Sanitärbracken und wurde von SS-Angehörigen bewacht.
über 1000 Personen
Dachauer Straße
heute Dachauer Straße 568
über 1000 Personen
Aschheimer Straße 8
über 1000 Personen
Keferloherstraße / Riesenfeldstraße
In dem ab Spätsommer 1940 errichteten Barackenlager waren Zwangsarbeiter*innen untergebracht, die von der Stadt München zur baulichen Neugestaltung der „Hauptstadt der Bewegung“ eingesetzt wurden. Zunächst waren dies italienische Zivilarbeiter, ab 1941 dann aber vor allem Kriegsgefangene aus Großbritannien und der Sowjetunion. Diese wurden u.a. bei Baufirmen eingesetzt, die für die Stadt tätig waren. Das Lager wurde bei einem Luftangriff am 21./22. Dezember 1942 stark zerstört, anschließend aber wieder aufgebaut. Im September 1944 waren dort 425 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. Nach Kriegende 1945 wurde das Lager für mehrere Jahre in ein Flüchtlingslager umfunktioniert.
101 bis 500 Personen
Fürstenrieder Straße 293