MEMORY IN PRACTICE
Allein im Stadtgebiet München befanden sich während des Zweiten Weltkriegs mehr als 400 Massenunterkünfte für Zwangsarbeiter*innen. Zum Teil wurden Baracken in unmittelbarer Nähe zu Arbeitsstätten oder auf den Firmengeländen errichtet. Zum Teil wurden Schulen, Turnhallen oder Gasthäuser zu Unterkünften umfunktioniert. Heute ist von den historischen Bauten so gut wie nichts mehr sichtbar. Die Fotografin Hadas Tapouchi erkundet 30 dieser Orte und macht ihre ehemalige Präsenz erfahrbar. Die interaktive Stadtkarte lädt ein, Veränderungen im urbanen Raum selbst zu dokumentieren und zu teilen. So wird der digitale Erinnerungsraum nach und nach mit den physischen, historischen Orten der Stadt verbunden.
Liste bekannter ehemaliger Lager in München
Alle Angaben basieren auf der Datenbank des NS-Dokumentationszentrum München.
Das Lager bestand aus etwa 22 Baracken, die zunächst von der Stadt als Unterkunft für Bombengeschädigte errichtet wurden (Bauträger war die GEWOFAG). Noch vor der Fertigstellung 1943/44 waren darin etwa 1.000 „Ostarbeiter*innen“ aus der „Führerhilfe“ untergebracht. Zum Selbstkostenpreis wurde das Lager in die Verwaltung der DAF abgegeben. Das Lager wurde nach 1945 in ein Flüchtlingslager (Wohnlager für 650 Personen) umfunktioniert.
501 bis 1000 Personen
Aindorfer Straße 182
In der Schule waren von 1941 bis 1945 600 bis 700 französische und italienische Kriegsgefangene untergebracht, u.a. die 4. Kp.Kgf. Dachdecker-Btl.V. Sie wurden größtenteils zu Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten nach Luftangriffen herangezogen.
501 bis 1000 Personen
Führichstraße 53
Das Lager wurde 1940/41 als Musterbarackenlager errichtet. Zunächst war es Durchgangslager des Arbeitsamts zur Verteilung von ankommenden Zwangsarbeiter*innen aus Osteuropa (dieses wurde dann nach Rothschwaige bei Dachau verlegt). Ab Ende 1941 Lager für russische Offiziere, untergebracht waren bis zu 800 Kriegsgefangene, v.a. aus der Sowjetunion, die für verschiedene Baufirmen und das städtische Gaswerk arbeiten mussten. Ein Kommando stand der Stadt für unmittelbare Sofortmaßnahmen nach Luftangriffen zur Verfügung. 1943 wurde das Lager bei einem Luftangriff teilweise beschädigt, bei einem Angriff am 2./3. Oktober 1944 durch einen Brand total zerstört. Die Gefangen wurden anschließend in andere Lager u.a. nach Laim transportiert.
501 bis 1000 Personen
Ständlerstraße 10
heute Schwanseestraße 87
In dem Lager waren vom 25.1.1944 bis Kriegsende 1945 92 Zwangsarbeiterinnen aus Frankreich und 8 Griechinnen untergebracht, die für die Firma Metzeler tätig waren.
101 bis 500 Personen
Tizianstraße 7
heute Tizianstraße 119
Halfingerstraße ohne Nummer (nachträglich: Nr. 38)
In dem der Firma Süddeutsche Bremsen AG gehörenden Lager waren im September 1944 590 Zwangsarbeiter*innen aus 17 Nationen, darunter 120 Frauen, untergebracht. Sie arbeiteten zum allergrößten Teil für diese Firma, deren Betriebsgelände sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befand.
501 bis 1000 Personen
Moosacher Straße 82
Ausweichlager der Paulaner-Brauerei
Pfanzeltplatz 12 (Gasthof „Zur Post")
Das Lager am Sendlinger Wald war zweigeteilt links und rechts der Zielstattstraße: Das Lager II für Männer hatte ein Fassungsvermögen von 1.200 Personen, das Lager III für Frauen von 1.000 Personen. Das Lager wurde durch die Firma F. Deckel verwaltet, viele der dort untergebrachten Zwangsarbeiter*innen wurden aber bei anderen Firmen eingesetzt. Beim Luftangriff am 6. Juli 1943 wurde das Lager teilweise zerstört, danach jedoch wiederaufgebaut.
über 1000 Personen
Zielstattstraße (am Wald)
heute Zielstattstraße 74 und 103
Das Lager, das sich auf der Baustelle des Autobahnrings befand, war mit bis 1.700 Zwangsarbeiter*innen belegt, die hauptsächlich für die Krauss-Maffei AG arbeiten mussten.
über 1000 Personen
Paul-Ehrlich-Weg bzw. Lochhausener Straße
Im Lager II der Firma Krauss-Maffei waren bis 1.500 zivile Zwangsarbeiter*innen vor allem aus der Sowjetunion, Frankreich und Griechenland untergebracht. Darunter waren etwa 200 Frauen.
über 1000 Personen
Ludwigsfelder Straße
Die Firma Krauss-Maffei setzte im Zweiten Weltkrieg zeitweise mehr als 5.000 Zwangsarbeiter*innen ein. In den Lagern I und Ia waren, angrenzend an das Firmengelände, bis zu 1.600 Männer untergebracht: vor allem französische Kriegsgefangene, aber auch zivile Zwangsarbeiter*innen aus verschiedenen Ländern (Italien, Niederlande, Belgien, Kroatien, Sowjetunion). Das Lager wurde nach 1945 in ein Flüchtlingslager umfunktioniert.
über 1000 Personen
Krauss-Maffei-Straße 1
Das westlich der Leopold- und nördlich der Schenkendorfstraße gelegene Barackenlager für ausländische Arbeiter*innen, die für BMW arbeiten mussten, hatte ein Fassungsvermögen von über 2.000 Personen. Untergebracht waren Zwangsarbeiter aus unterschiedlichen Ländern.
über 1000 Personen
Leopoldstraße 223/Ecke Freiligrathstraße
In dem Lager befanden sich 1944 mehr als 500 hauptsächlich aus der Sowjetunion kommende Kriegsgefangene. Sie wurden u.a. bei den Firmen Mühlhofer und Pfahler GmbH, Georg Robel GmbH & Co, Daimler-Benz AG, Metallwerk Neumeyer, Süddeutsche Waggon- und Förderanlagen GmbH und der Reichsbahn eingesetzt. Beim Bombenangriff am Abend des 21. Dezember 1942 brannten drei Baracken des Lagers aus.
501 bis 1000 Personen
Zschokkestraße
Lage links und rechts der Camerloherstraße etwa bei Nr. 24
In diesem Außenlager des KZ Dachau waren Häftlinge zahlreicher Nationen untergebracht, die für die benachbarten Flugmotorenwerke von BMW Zwangsarbeit verrichten mussten. Die Errichtung des Lagers östlich der Dachauer Straße begann im März 1943. Es war zunächst für 3.000 bis 4.000 Personen geplant. Mit dem zunehmenden Arbeitskräftebedarf bei BMW vergrößerte sich aber die Zahl der dort inhaftierten Häftlinge bis auf etwa 10.000. Neben der Flugzeugmotorenfertigung waren sie auch für Baumaßnahmen eingesetzt. Die Zahl der Häftlinge, die aufgrund der schweren Arbeiten, unzureichenden Versorgung und Unterbringung verstarben oder im Lager unmittelbar ermordet wurden, lässt sich nicht mehr exakt feststellen. Am 26. April 1945 wurde ein Teil der Häftlinge auf einen Todesmarsch Richtung Alpen gezwungen. Die zurückgeblieben Häftlinge wurden am 30. April 1945 von US-Truppen befreit.
über 1000 Personen
Rubinstraße 17
Die Bavaria Filmkunst GmbH Geiselgasteig hatte in der Gaststätte seit 1940 mehrere Räume gemietet und dort Zwangsarbeiter*innen sowie ein Kommando von französischen Kriegsgefangenen untergebracht.
51 bis 100 Personen
Menterschwaige 1
heute Menterschwaigstraße 4
Das unmittelbar östlich des Bahnhofs Karlsfeld auf Münchner Stadtgebiet gelegene, Mitte 1942 errichtete Lager mit zahlreichen Baracken hatte ein Aufnahmekapazität von 3.000 bis 4.000 Personen. Anfang 1944 waren dort rund 2.800 Zwangsarbeiter*innen, darunter 424 Frauen, untergebracht, die für BMW arbeiten mussten.
über 1000 Personen
Zum Schwabenbächl
heute Gerberau
Das Lager wurde im September 1944 eingerichtet und war mit rund 500 weiblichen KZ-Häftlingen aus verschiedenen Ländern (v.a. Polen, Sowjetunion, Niederlande, Jugoslawien, Belgien, Frankreich) belegt, die aus dem KZ Ravensbrück nach München gebracht worden waren. Bei der Unterkunft handelte es sich um einen nicht fertiggestellten und großteils noch im Rohbau befindlichen Wohnblock in der Weißenseestraße. Darin befanden sich zweistöckige Betten, ein paar Holztische und Hocker. Das Lager war mit Stacheldraht eingezäunt und wurde von einem Kommandoführer, dessen Stellvertreter und 11 SS-Aufseherinnen bewacht. Die inhaftierten Frauen wurden für Hilfsarbeiten bei der Herstellung von Flugzeugteilen im IG Farben Kamerawerk (Agfa) in der Tegernseer Landstraße eingesetzt. Die hygienischen Bedingungen im Lager und die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung waren äußerst mangelhaft, so dass viele Frauen schwer erkrankten. Als sich im Januar 1945 die Zustände weiter verschlechterten, verweigerten einige Frauen in einer außergewöhnlichen Aktion die Arbeit im Betrieb. Am 27. April 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Frauen Richtung Alpen evakuiert, bei Wolfratshausen wurden sie von US-Truppen befreit.
101 bis 500 Personen
Weißenseestraße 7
Im Lager waren im März 1945 etwa 1.000 Zwangsarbeiter*innen untergebracht.
über 1000 Personen
Schleißheimer Straße / Milbertshofener Straße
wahrscheinlich Schleißheimer Straße 360 / Milbertshofener Straße 15
Das Lager bestand aus zunächst 9, später 13 Baracken mit einer Aufnahmekapazität von bis zu 1.300 Personen. In ihm waren Zwangsarbeiter*innen verschiedener Nationalitäten untergebracht, die für die Dornier-Werke in Neuaubing tätig waren. Im Juli 1944 wurde es durch Luftangriffe zum Teil zerstört. Nach Kriegende wurde es als Flüchtlingslager genutzt. In den 1980er-Jahren wurde das Gelände durch eine Wohnsiedlung überbaut.
über 1000 Personen
Paulstraße 4, Neuaubing
heute Hohensteinstraße 19
In dem Lager waren seit 1941 bis zu 300 Zwangsarbeiter*innen, die für den Umbau von Bahnanlagen für die Reichsbahn tätig waren.
101 bis 500 Personen
Josef-Lang-Straße 2
Das Lager bestand aus mehreren Baracken und hatte ein Fassungsvermögen von bis zu 350 Personen. Darin waren Zwangsarbeiter*innen verschiedener Nationalitäten untergebracht die hauptsächlich für die Reichsbahn arbeiten mussten.
101 bis 500 Personen
Aubing, Heimgartenweg
heute Hellensteinstraße
Das 1927 als Ausflugslokal und Erholungsheim errichtete Barbaraheim befand sich an der Südostecke des Reichsbahnausbesserungswerks Neuaubing. 1941 richtete das RAW dort einen Betriebskindergarten ein. Angeschlossen war ein NS-Schwesternheim. Ab 1942 waren in einem Nebengebäude bis zu 260 Zwangsarbeiter*innen aus verschiedenen Ländern untergebracht, die hauptsächlich für Dornier tätig waren.
101 bis 500 Personen
Neuaubing 128
heute Sämannstraße 100-102
101 bis 500 Personen
Germersheimer Straße 1
heute St.-Martin-Straße 88
501 bis 1000 Personen
Ecke Fürstenrieder Straße / Landsberger Straße